21.05.2010, Junge Welt
»Wir wollen über den Rassismus informieren«
Flüchtlingsorgansation veranstaltet Anfang Juni zu ihrem zehnjährigen Bestehen ein Open-Air- Festival in Jena. Ein Gespräch mit Osaren Igbinoba.
Interview: Gitta Düperthal
Osaren Igbinoba ist Aktivist der »Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen«
Die »Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen« veranstaltet vom 4. bis 6. Juni in Jena ein Festival, das in die Innenstadt ausstrahlen soll. Wie muß man sich das vorstellen?
Wir wollen mit einem Open-Air-Festival den künstlerischen und kulturellen Aspekt unseres Kampfes auf die Straße bringen. Wir werden aber auch über Neokolonialismus und Rassismus informieren. Unser Motto ist: »Vereint gegen koloniales Unrecht, in Erinnerung an die Toten der Festung Europa«. Drei internationale Künstlergruppen werden ein Mahnmal für die Tausenden Toten errichten, die durch die Militarisierung an Europas Südgrenzen und die Grenzschutzagentur FRONTEX starben. Wir wollen ihnen so ihre Würde wiedergeben. Höhepunkt ist am Samstag, 5. Juni, eine Parade mit original westafrikanischen Masken, die nigerianische Handwerker eigens für diese Veranstaltung gefertigt haben. So werden Flüchtlinge, die auf ihrem Weg nach Europa gestorben sind, symbolisch Einzug in die Stadt halten.
Sie laden jährlich zu Kongressen ein, in denen es u. a. um die Ausgrenzung durch Lagerunterbringung und die Stigmatisierung durch Lebensmittelgutscheine geht. Warum wählt die Karawane dieses Mal einen kulturellen und künstlerischen Schwerpunkt?
Die Flüchtlingsorganisation The Voice wird ihren mittlerweile 15 Jahre währenden Kampf begehen, wir unseren zehnjährigen. Wir kommen zusammen, um dieses wichtige Ereignis mit politischer Kunst zu feiern. Unter anderem werden die Flüchtlingsband Les Réfugies aus dem Lager Blankenburg/Oldenburg und Louis-Jean & Irie Rainbow aus Berlin auftreten. Mit dabei ist auch der Hamburger Klassenkampf-Rapper Holger Burner. Politisches Theater wird auch aufgeführt.
Es solll auch Debatten geben – was sind die wichtigsten aktuellen Themen?
Wir werden uns mit den Grausamkeiten von FRONTEX beschäftigen, die von Deutschland nicht unwesentlich gesponsert wird, und uns mit der institutionalisierten Diskriminierung und Kriminalisierung von Asylsuchenden, der Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit sowie dem alltäglichen Rassismus von Behörden und Polizei auseinandersetzen. Wir werden uns weiterhin für die Aufklärung der Morde an Oury Jalloh, Dominique Koumadio und Laye Konde stark machen. Wir werden fordern, das Lagersystem in Deutschland abzuschaffen. Die Schließung des Isolationslagers Katzhütte haben wir bereits durchgesetzt, und wir werden weiterkämpfen: Unter anderem für die Schließung der Lager in Möhlau, Remscheid, Bramsche, Gerstungen und Gangloffsömmern.
Dieses Festival ist ein Akt des zivilen Ungehorsams; illegalisierte Flüchtlinge werden teilnehmen. Um sie zu schützen, soll es ein »Legal Team« geben – was ist dessen Aufgabe?
Wir wollen vor allem das Schweigen der deutschen Bevölkerung durchbrechen. Damit nicht mehr nur zugeschaut wird, wenn man die Würde unserer Aktivisten mit Füßen tritt. Die »Legal Teams« kommen aus verschiedenen Regionen Deutschlands. Sie werden kontrollieren und publizieren – und zwar jede einzelne Auseinandersetzung oder mögliche polizeiliche Schikane. Wir wollen so zeigen, wie Solidarität gelebt werden kann. Viele Flüchtlinge wurden in der Vergangenheit aufgrund der Residenzpflicht eingeschüchtert und daran gehindert, an unseren Kongressen teilzunehmen. Im Aufruf unseres Festivals heißt es dazu: »Wir werden diese menschenfeindliche Praxis unterlaufen.«
Wie können Leser der jW zum Gelingen des Festivals beitragen?
Sie sollen nur kommen, sie würden uns stärken. Zeigen wir ihnen gemeinsam, daß wir uns nicht an den Rand drängen lassen! Und daß wir rassistische Polizeigewalt, Morde und Militarisierung nicht hinnehmen werden. Wir müssen gemeinsam aufstehen, um unsere Würde zu wahren.
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