Wer und was ist die Karawane?

  1. Die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen ist ein Netzwerk, das sich aus Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen von Flüchtlingen, MigrantInnen und Deutschen zusammensetzt. Die Grundlage bilden Antiimperialismus und Antirassismus. Wir sind engagiert im Kampf für soziale und politische Rechte, Gleichheit und Respekt für die fundamentalen Menschenrechte eines/r jeden/r.
  2. Die Karawane richtet einen scharfen Focus auf die Situation von Flüchtlingen und MigrantInnen in Deutschland. Sie sind die Stimmen und Repräsentanten der Opfer der weltweiten imperialistischen Globalisierung. Von daher kompromittiert die Karawane nicht das Wohlergehen und den Respekt vor den Rechten der Flüchtlinge und MigrantInnen, genauso wenig wie die Unterstützung der Kämpfe in den Heimatländern.
  3. Wir bekämpfen und überwinden in einem fortschreitenden Prozess jede Form von Rassismus und Sexismus.
  4. Die Karawane ist ein säkulares und Nicht-Parteien-Netzwerk.
  5. Die Karawane erkennt die Existenz anderer Netzwerke, Institutionen und Gruppen, die mit der Sache der Flüchtlinge und MigrantInnen verbunden sind, an. Wir sind offen und gewillt, mit diesen auf breiter Ebene zusammenzuarbeiten. Grundlage ist die Respektierung der jeweiligen Unabhängigkeit, Eigeninitiative und wechselseitige Unterstützung.
  6. Besonderes Merkmal der Karawane sind die reichhaltigen Komponenten der Aktivisten, Gruppen und Organisationen verschiedener Länder und Nationalitäten, Sprachen, politischen Bewegungen und Kulturen. Von daher ist die Karawane mit einem großem Reichtum an Wissen und Erfahrung von Menschen aus allen Teilen der Welt ausgestattet. Die innere Stärke der Karawane ist in der reichen Vielfältigkeit, vereinigt in einem gemeinsamen Ziel - dem Kampf für die fundamentalen Menschenrechte einer und eines jeder und jeden einzelnen – verankert.
  7. Ungeachtet der Gründe für Flucht und Migration sind Flüchtlinge und MigrantInnen immer in der Karawane willkommen. Ihre aktive Teilnahme in unserem gemeinsamen Kampf für den Respekt unserer Rechte ist unbedingt erwünscht. Diese breite Allianz zusammenzuhalten ist eine schwere aber sehr notwendige Aufgabe.

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Ausgangspunkt der Karawane

  1. Aufgrund der breiten Zusammensetzung gibt es in den realen sozialen Bedingungen sehr große Unterschiede. Dies ist am offensichtlichsten, wenn man die sozialen Bedingungen eines/r Asylbewerber/in, der/die fundamental beschränkt und isoliert von der deutschen Gesellschaft ist, mit den sozialen Bedingungen eines/r Deutschen vergleicht, der/die solcher Isolation und Beschränkung nicht unterworfen ist. Trotzdem sind Deutsche im Allgemeinen auf verschiedenen Ebenen in der Karawane engagiert. Keine Grundlage bilden paternalistische Gründe, um den "armen Opfern zu helfen". Grundlage bildet die Solidarität mit den Flüchtlings- und MigrantInnenkämpfen. Dies gründet sich aus der Überzeugung, dass die Gesellschaft rassistisch und das herrschende System ungerecht ist, genauso wie aus dem Bewusstsein über die Rolle des deutschen Staates im Zusammenhang mit den Gründen, aus denen Flüchtlinge und MigrantInnen ihre Heimatländer verlassen. Weiterhin erkennen wir die Unterschiede im sozialen Status zwischen einem/r anerkannten Flüchtling, legalen Migranten/in und einem/r Asylbewerber/in, papierlosen/illegalisierten Migranten/in oder Flüchtling.
  2. Aber alle diese Unterschiede sind entsprechend untergeordnet und unberücksichtigt hinsichtlich der gemeinsamen Ziele basierend auf der internationalen Solidarität. In unserer Praxis startet das Konzept der internationalen Solidarität genau von da, wo wir uns befinden. Das bedeutet, dass Flüchtlinge und MigrantInnen der Karawane die Probleme, Sorgen und Kämpfe von Flüchtlingen und MigrantInnen anderer Länder, Kulturen und Hintergründe ernst nehmen und mit allen Möglichkeiten unterstützen. Diese Praxis gekoppelt mit der Kooperation von unseren deutschen Freunden und AktivistInnen schafft eine wahrhafte internationale Solidarität, die für die Effektivität des Netzwerkes notwendig ist. Der Grundsatz ist mehr "Lasst uns zusammen kämpfen" als "Lasst uns für sie kämpfen". Deswegen streben wir eine starke und vereinigte Front der Unterdrückten an, die Widerstand gegen das rassistische und ungerechte System, in dem wir leben, leistet. Zusammen können wir gegen den Staat gewinnen (wie klein die Erfolge auch sein mögen) und beweisen, dass der Staat nicht unbesiegbar ist. Dadurch werden andere motiviert, sich dem Kampf anzuschließen.
  3. Einer unserer Grundsätze ist es, Flüchtlinge und MigrantInnen zu ermutigen und die Möglichkeit zu geben, ihre Erfahrungen zu teilen und aktiv zu sein; sowohl im Kampf gegen die Verfolgung in Deutschland, als auch gegen die Kollaboration Deutschlands mit den korrupten, diktatorischen und repressiven Regierungen der Heimatländer. So werden beispielsweise Anstrengungen unternommen, dass Diskussionen bei jedem Treffen jedem/r Teilnehmer/in übersetzt werden, so dass allen die Möglichkeit der aktiven Teilnahme gegeben ist. Flüchtlinge und MigrantInnen, die Erfahrungen aus Befreiungskämpfen in ihrer Heimat mitbringen, sind gefordert, Verantwortung zu tragen und eine leitende Rolle bei der Entlarvung und Abwehr der Propaganda des Staates gegen Flüchtlinge und MigrantInnen zu übernehmen.
  4. Letztlich ist die Grundlage der Karawane die Unterstützung ihrer Mitglieder in ihrem Kampf gegen staatliche Verfolgung, welche in vielen Fällen aus der Bedrohung mit Abschiebung und unmittelbar bevorstehender Abschiebung resultiert. Wenn Flüchtlinge und MigrantInnen den Kampf für ihre Rechte und gegen Rassismus in Deutschland aufnehmen, werden sie vom Staat als Feinde betrachtet, weil sie die dunkle und schreckliche Seite Deutschlands zeigen, die ihre tägliche Realität ist. In Konsequenz werden solche AktivistInnen mit Strafgeldern, Haftstrafen sowie mit Abschiebung in die Heimatländer, wo sie gefoltert und ermordet werden können, eingeschüchtert und bedroht. Daher ist die Karawane verpflichtet und moralisch verantwortlich, dafür zu kämpfen, dass die AktivistInnen, die trotz staatlicher Einschüchterung und der Gefahr für ihr Leben eine grundsätzliche Haltung gegen Rassismus und Unterdrückung in Deutschland einnehmen, zu verteidigen.

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Kritik, Selbstkritik und tiefes, wechselseitiges Verständnis

  1. Die Präsenz und die Solidarität der deutschen AktivistInnen in fast jedem Segment des Karawane-Netzwerkes sind vielschichtig. Dies ist besonders offenkundig in Bezug auf Sprache, Rechtswissen und tieferem Verständnis der politischen Geschichte Deutschlands. Aufgrund der Ungleichheit im Status und in den sozialen Bedingungen zwischen Deutschen und Flüchtlingen ist es wichtig, dass die Deutschen ein tieferes Verständnis der Lebensrealität von Flüchtlingen entwickeln und sich kritisch damit auseinandersetzen. Nicht jede Aktivität oder Initiative, die mit der Absicht der Unterstützung gemacht wird, wird von Flüchtlingen und MigrantInnen als nützlich betrachtet, insbesondere weil Flüchtlinge mehr als die Deutschen in ihren Möglichkeiten beschränkt sind. Darüber hinaus ist es für die Deutschen wichtig, die sozialen Bedingungen in den sog. Dritte-Welt-Ländern und damit daraus resultierende Bestrebungen und Aktivitäten richtig zu verstehen.
  2. Die Karawane ist unbedingt offen für konstruktive Kritik von innen und auch von außen. Dies macht einen wesentlichen Teil einer fortschrittlichen Bewegung aus. Wir brauchen eine ständige Reflexion über unsere Aktivitäten, über die jeweilige individuelle Verbindlichkeit und Verhalten, um eine höhere politische Ebene zu erreichen. Die Karawane konfrontiert sich und kämpft gegen die sehr harten und schwierigen Probleme wie Abschiebung, Residenzpflicht (Apartheidsgesetz Deutschlands), Inhaftierungen, gesellschaftlicher Ausschluss und Rassismus. Unsere Diskussionen können nicht von unserer Praxis, von unseren konkreten Aktionen getrennt sein.

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Politik und Slogans der Karawane

  1. Die Politik der Karawane ist geprägt von den Lebenserfahrungen und der täglichen Realität unserer zahlreichen Mitglieder und Brüder und Schwestern, sowohl hier in Deutschland als auch in den Heimatländern. Seit Jahrhunderten betrachten die kolonialistischen und imperialistischen Mächte Afrika, Asien, den Mittlern Osten und Lateinamerika als Gebiete, die es zu erobern, zu "zivilisieren", zu unterdrücken und auszubeuten gilt. Die Beziehungen zwischen diesen Mächten und den Heimatländern wurden und werden immer durch die imperialistischen Interessen bestimmt. Von Anfang an, von der Kolonialisierung bis heute, zerstören diese unsere Länder und stürzen die Menschen in unabsehbares Elend.
  2. Während unsere Länder heute formal unabhängig sind, bleiben sie abhängige Staaten unter dem Diktat oder unter starker Beeinflussung der imperialistischen Länder. Wirtschaft und Politik wird uns aufgezwungen, sowohl durch die internationalen multilateralen Einrichtungen (z.B. IWF, Weltbank, WTO) als auch durch multinationale und transnationale Konzerne, die von den jeweiligen imperialistischen Ländern unterstützt werden. Sie setzen brutale Diktaturen ein, zwingen ihre "Teile und herrsche"-Politik auf und schüren Konflikte innerhalb der Nationen, um sie vom Kampf gegen den Imperialismus abzulenken. Dies wird in der Regel ermöglicht durch die Beteiligung der Armeen der jeweiligen abhängigen Staaten und manchmal auch durch Paramilitär oder Privatarmeen innerhalb unserer Länder.
  3. Unsere korrupten und despotischen Führer werden als "Staatsmänner von Welt" bejubelt, solange sie den Befehlen der Großmächte folgen und unsere Länder und Völker ausbeuten. Dafür sind sie an der Beute beteiligt, die aus den Ländern ins Ausland gebracht wird, insbesondere in die westlichen Länder. Wenn sie als Marionetten unnütz werden oder Volkszorn und Rebellion sich gegen sie richtet, werden sie gegen andere Marionetten ausgetauscht. "Regimewechsel" wird eine Ausrede für Invasion und Besatzung der Länder und Tyrannisierung der Völker. Militarisierung, Stellvertreterkrieg zwischen den Großmächten und Angriffskriege führen zu Flucht in riesigem Ausmaß sowohl innerhalb der Länder als auch aus den Ländern.
  4. Wenn wir gegen die Unterdrückung und Verfolgung Widerstand leisten, werden wir gejagt, inhaftiert, gefoltert und ermordet. Entfliehen wir dieser Situation, erwarten wir in den sogenannten entwickelten Ländern, die die hohen Werte von Demokratie und Menschenrechten erklären und predigen, Sicherheit, Zuflucht und eine Behandlung als Mensch entsprechend der vereinbarten Konventionsrechte.
  5. Aber wenn Flüchtlinge in Deutschland ankommen, erfüllen sich diese Erwartungen nicht - im Gegenteil, Flüchtlinge sind weiter Objekt staatlicher Verfolgung. Sie sind mentaler und psychologischer Folter, Polizeibrutalität, dem Verbot der freien Bewegung und Abschiebung dorthin, von wo sie geflohen sind, ausgesetzt. Wir erleiden gesellschaftliche Isolation und einen gewissen Grad an Feindseligkeit aus Teilen der Gesellschaft. Wir sind mit staatlichem Rassismus und den daraus resultierenden Sondergesetzen konfrontiert.
  6. Die meisten von uns, die bereits mit der Situation der Verfolgung sehr vertraut sind, haben keine andere Möglichkeit als aufzustehen und für unsere Rechte zu kämpfen. Wenn wir dies tun, werden wir als Unruhestifter und undankbare Subjekte bezeichnet, weil wir es wagen, die inhumanen Bedingungen und die Verletzung unserer Rechte anzuprangern. Um uns ruhig zu stellen, intensiviert der Staat seine Anstrengungen, uns in die diktatorischen Regime, aus denen wir geflohen sind, zurückzuschicken.
  7. Dies oben Aufgeführte ist das Herzstück der Karawane Politik – Widerstand gegen staatlichen und gesellschaftlichen Rassismus und Ungerechtigkeit. Diese Politik entwickeln wir aus unserer Praxis und aus unserer Erfahrung. Die Karawane stellt klar, wer die moralische Verantwortung für den Schutz von Flüchtlingen und MigrantInnen trägt. Dies wird durch unsere zwei Hauptslogans ausgedrückt: "Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört", und: "Asylrecht ist Menschenrecht und kein Privileg".

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